CHICAGO

Katharine Mehrling beweist einmal mehr, dass sie zu den ganz großen Bühnenstars des Landes gehört.

Barrie Kosky’s Berlin production of the 1975 musical adds a touch of burlesque and a dash of Bertolt Brecht.
The show is impeccably cast.
Katharine Mehrling, an acclaimed chanteuse and regular Kosky collaborator, brings the right mix of naïveté and tenacity to the role of Roxie Hart, the washed-up chorus girl whose trial for murdering her lover catapults her to stardom.

Gefeierte Premiere des Musicals „Chicago“
Katharine Mehrlings Roxie ist eine Frau mit vielen Gesichtern, sie ist voller Drang nach Leben, Aufmerksamkeit und Ruhm, sie ist kokett und launisch. Ihr ist jedes Mittel recht. Die stimmlich vielseitige Mehrling kann sich mühelos die Aufmerksamkeit ersingen.

Unmoral siegt!
… in diesem Geflirre erscheint Katharine Mehrlings Roxie als eine derart hinreißend lebens- und ruhmhungrige Frau mit Drang zur großen Geste und unerschöpflichem Vorrat an Gesichtern und Nuancen, dass ihr der Triumph über die dummen Männer zu gönnen ist. Zumal sie diese immer leicht angeraute, aber scheinbar grenzenlose Stimme besitzt.

Barrie Kosky lässt Katharine Mehrling leuchten
Katharine Mehrling ist eine ruchlos karrieregeile, dabei zuckersüß kieksende Roxie Hart. Wenn sie der Kontrahentin heuchlerisch ein geflötetes „Velma-Velma-Velma – Wunderbar“ um den Bart schmiert, sorgt sie für einen Höhepunkt des Abends.

Killer-Girls rocken den Knast.
Die 1.000 Gäste im ausverkauften Schillertheater jubelten und kreischten nach jeder Nummer. Katharine Mehrling als berlinernde Göre Roxie röhrt, tanzt, singt, bettelt, lügt, jammert, gewinnt und verliert einfach hinreißend.

Katharine Mehrling ist eine Roxie, die dreckige Verruchtheit mit kindlicher Süße verbindet.

Ruth Brauer-Kvam und Katharine Mehrling als reuelose Mörderinnen Velma Kelly und Roxie Hart sind ohne Zweifel die Stars des Berliner Premierenabends. Beiden gelingt es hervorragend einzeln, aber auch im Zusammenspiel, die nötige Prise Verruchtheit und Dreck in ihre Stimme zu legen und mit schnoddriger Direktheit, Naivität und letztendlich biestigem Selbstbewusstsein ihren Charakteren eine ganz eigene, persönliche Note zu geben. Mehrling, die immer wieder (zu recht!) ein Zuhause in der Komischen Oper findet, ist für Roxie Hart wahrlich eine Idealbesetzung. So kokett, blond und naiv, wie sie scheinen mag, hat ihre Roxie es faustdick hinter den Ohren und reißt das Geschehen an sich. Ihr gelingt es, den Spieß mit einer Leichtigkeit umzudrehen, so dass das durchtriebene Biest in ihr erwacht. Ein klimpernder Augenaufschlag, eine gute Story, ein bisschen Presse und Glück mit den Kontakten – so einfach kann es sein, sich, ohne Rücksicht auf Verluste und nur auf den eigenen Vorteil bedacht, ins rechte Licht zu rücken. Auch damals schon, in einer Zeit ohne Social Media und Co. Ihre markante, ausdrucksstarke, leicht verruchte Stimme ist vielseitig einsetzbar und Mehrling schöpft hier erneut in voller Bandbreite dankbar aus ihrem gesanglichen und schauspielerischen Repertoire und Können.

Der durchweg grandiose Cast sorgt dafür, dass dem Publikum trotz der Schwere des Themas, das auf wahren Begebenheiten basiert, das Lachen nicht im Halse stecken bleibt. Es darf, nein, es soll gelacht werden! Die Darsteller:innen beweisen (situations) komödiantisches Talent und nehmen sich selbst und ihre Rollen nicht zu ernst, und das ist erfrischend. Alle Charaktere sind einen Tick überzeichnet, was der Regie von Barrie Kosky Rechnung trägt. Katharine Mehrling spielt Roxie Hart sehr facettenreich: einerseits dümmlich, naiv und kindlich, anderseits verschlagen, egoistisch, selbstverliebt und bisweilen sogar regelrecht bösartig (“Ich und mein Baby”). Roxie kann mit vielen Attributen beschrieben werden, positive wie ‘nett’ oder ‘sympathisch’ gehören definitiv nicht dazu. Und das ist gut so. Schließlich soll das Publikum nicht vergessen, dass es sich bei ihr und Velma Kelly um kaltblütige Mörderinnen handelt, die keinerlei Reue zeigen, sondern ihre Publicity nutzen wollen, um groß rauszukommen. … es folgen weitere großartige Szenen, vor allem im Zusammenspiel mit Katharine Mehrling. In der Pressekonferenz agieren Alt und Mehrling kongenial als Puppenspieler und Bauchrednerpuppe bei Ragtime-Musik. Während Roxies Verhandlung wird nicht nur durch Billy Flynns Outfit klar, dass der gesamte Gerichtsprozess eine Farce beziehungsweise eine Zirkusattraktion ist: Denn die Befragung findet in einer Manege statt und Flynn trägt das Kostüm eines Zirkusdirektors. Brillant inszeniert!

Mittendrin: Velma, auf ihre Entlassung hoffender ehemaliger Vaudeville-Star, von Ruth Brauer-Kvam mit umwerfender Vitalität dargestellt. Mit ähnlicher Energie stattet Katharine Mehrling die Roxie aus. Rotzfrech ist sie, mit Hang zum Melodrama, darstellerisch und stimmlich ungemein wandelbar, kurzum: sie untermauert, dass sie gerade völlig zu Recht zum siebten Mal mit dem Goldenen Vorhang, dem Publikumspreis des Berliner Theaterclubs, ausgezeichnet wurde.

Star des Abends ist natürlich Katharine Mehrling, die ihrer Roxie Hart die nötige Mischung aus Skrupellosigkeit und gespielter Naivität verleiht. Sie ist der Prototyp der Influencerinnen, die für mehr Klicks fast alles tun würden. Aber diese Zeitdiagnose muss die Barrie Kosky-Inszenierung gar nicht offen aussprechen, sie drängt sich ohnehin auf.

Die Musicalstars Katharine Mehrling und Ruth Brauer-Kvam als unschlagbares Showgirl-Duo Roxie Hart und Velma Kelly reißen das Publikum förmlich aus den Sitzen.
Einfach hinreißend Katharine Mehrling als betont naiv-süße berlinernde Roxy, Ruth Brauer-Kvam als ihre neidische, bösartige Schicksalsschwester Velma.
Vor allem sicher auch, weil es schlaue, attraktive, starke Frauen zeigt, die alle keine harmlosen Mäuschen oder hilflose Opfer sind, auch wenn sie sich so präsentieren. Sie wissen erfolgreich mit stereotypen Frauenbildern zu spielen und sie für ihre eigenen Interessen zu nutzen.

Katharine Mehrling, Berlins Darling und als raffinierte und ruhmsüchtige Roxy Hart der Mittelpunkt des Stücks, trägt nicht immer solch auffällige Roben, doch auch sie greift schnell zum Gewehr. Das war nicht nur früher üblich und auch nicht nur in Chicago.